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  • Profitierten AfD-Spitzenkandidat Dirk Nockemann und seine Partei von der Berichterstattung über den Cum-Ex-Skandal?
  • Foto: picture alliance/dpa

Wahlen in Hamburg: Sind NDR und „Zeit“ schuld am Erfolg der AfD?

Sind NDR und „Zeit“ Schuld am AfD-Einzug in die Hamburgische Bürgerschaft? Diesen Vorwurf erheben ausgerechnet prominente Hamburger Journalisten – und beschuldigen ihre Kollegen, mit einer unausgegorenen und skandalisierenden Berichterstattung über „Cum-Ex“, Warburg-Bank und die SPD die Wahl unabsichtlich zugunsten der AfD beeinflusst zu haben.

Die Berichterstattung sorgte für Schnappatmung bei Hamburgs SPD. Kurz vor der Wahl wärmten „Zeit“ und „Panorama“ (NDR) die mehrere Jahre alten „Cum-Ex“-Vorgänge rund um die Warburg-Bank noch einmal auf – und veröffentlichten neue Infos, die für viel Wirbel im Wahlkampf sorgten. Den Sozis hat das offenbar kaum geschadet, aber wohl der AfD geholfen. Und das sorgt in Hamburgs Medienlandschaft für Ärger!

Hamburger Journalisten kritisieren ihre Kollegen

In einer Härte, wie sie nur selten vorkommt, wettern renommierte Journalisten gegen die Berichterstattung ihrer Berufskollegen. So deuten Matthias Iken, der stellvertretende Chefredakteur des Abendblatts, sowie der langjährige Hamburg-1-Politikchef Herbert Schalthoff eine Art Wahlmanipulation an – die am Ende der AfD geholfen habe könnte.

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Beide beziehen sich dabei auf eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Infratest dimap. Dabei wurde unter anderem abgefragt, auf welche Wähler die Vorgänge um die Warburg-Bank einen „sehr großen Einfluss“ auf die eigene Wahlentscheidung hatten.

Umfrage: Beeinflusst „Cum-Ex“-Bericht AfD-Anhänger?

Das Ergebnis: Nur ein Prozent der SPD-Wähler bejahte das, bei der AfD gab mit 24 Prozent aber fast jeder vierte Wähler an, dass die „Cum-Ex“-Geschäfte ein wesentlicher Einflussfaktor auf das Wahlverhalten waren.

„Hätten nur sieben Prozent der AfD-Wähler anders gewählt, wäre die Partei aus der Bürgerschaft gefallen. Bei einer jeden journalistischen Geschichte steht die Frage ’Cui bono – Wem nützt es?’ am Anfang. Die Antwort dürfte die Kollegen nun am Ende überraschen“, schreibt Iken, der die Beweislage der „Cum-Ex“-Berichterstattung in seinem Leitartikel als „dürftig“ bezeichnet.

Hamburger Journalisten kritisieren „Cum-Ex“-Recherche

„Zweifel an der Berichterstattung sind ja wohl erlaubt. Und wenn sie dann diesen Einfluss gehabt haben sollte wäre es schon sehr bitter“, kommentiert derweil Schalthoff auf Facebook. „Vielen Dank dafür an die, die sich angesprochen fühlen sollten.“ Und dann wird’s deutlich: „Vielleicht sollte man doch so lange recherchieren, bis man zu 100 Prozent weiß, dass das, was man für einen ausgemachten Skandal hält, auch wirklich einer ist.“

Video: Hamburg hat gewählt – die Zusammenfassung

Zur Erinnerung: Die angesehene Wochenzeitung „Zeit“ und das NDR-Magazin „Panorama“ hatten zehn Tage vor der Bürgerschaftswahl berichtet, dass Hamburgs Finanzbehörde 2016 eine Steuerschuld in Höhe von 47 Millionen Euro aus dem Jahr 2009 verjähren ließ. Außerdem wurde bekannt, dass es – entgegen Senatsangaben – ein Treffen zwischen Ex-Bürgermeister Olaf Scholz und Warburg-Chef Christian Olearius gegeben hatte.

Der „Cum-Ex“-Skandal könnte zum Medienskandal werden

In den Berichten entstand dabei der Eindruck, dass es eine verdächtige Nähe zwischen der SPD und der Bank geben würde. Auch von einem „Millionen-Geschenk“ an die Bank war die Rede. Bürgermeister Peter Tschentscher, damals Finanzsenator, stritt eine politische Einflussnahme vehement ab. Tatsächlich konnte auch ein klares Fehlverhalten der Finanzbehörde oder eine politische Beeinflussung bislang nicht nachgewiesen werden. Der Skandal könnte also auch ein Nicht-Skandal sein – oder zum Medienskandal werden.

„Der Sensationsjournalismus ist ein Verlierer der Wahl. Jetzt werden sich die Kollegen von NDR-Panorama und der Zeit weitere kritische Fragen gefallen lassen müssen“, so Abendblatt-Mann Iken, der in Bezug auf das AfD-Ergebnis von „rechtem Rückenwind durch linke Skandalisierung“ spricht. Was sagen NDR und „Zeit“ zu den Verbal-Attacken?

Nach Attacke: So reagieren „Zeit“ und NDR

„Die Aufgabe von Journalisten ist es, Fragen zu stellen und Fakten ans Licht zu bringen“, sagt eine „Zeit“-Verlagssprecherin zur MOPO. Man könne eine Berichterstattung selbstverständlich nicht zurückhalten, um eine Partei zu schützen. „Genau das würde ja das Vorurteil jener bestärken, die Medien Komplizenschaft mit den Mächtigen im Land vorwerfen.“

Und eine NDR-Sprecherin betont, dass es bei der Berichterstattung nicht darum gehe, welcher Partei sie nutzt oder schadet. „Es ist unsere Aufgabe, kritisch Fragen zu stellen.“ Die Experten von Infratest dimap hätten außerdem festgestellt, dass die Berichterstattung über die „Cum-Ex“-Geschäfte keinen wesentlichen Einfluss auf die Bürgerschaftswahlen hatte.

Tatsächlich gaben 50 Prozent der Befragten an, dass „Cum Ex“ keine Rolle gespielt habe. „Der Vorwurf, der uns in den von Ihnen genannten Medien gemacht wird, ist falsch“, sagt sie. Und: Bei AfD-Anhängern würden langfristige Bindungen überwiegen, für sie seien Themen wie Zuwanderung, Verkehr oder Soziales wichtig.

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